Der Mut-Bürger steht auf
Wie der "neue Deutsche" die Polititk vor sich hertreibt. Vor zwei Wochen mahnte Krisenexperte Peter Tümmers von Schoenebeck im breit mitgetragenen Lockdown autoritäres Gehabe und verordnete Denkverbote an. Der wertvolle Konsens drohte unnötig verloren zu gehen.
Wer über eine „dynamische Stabilisierung“ im Umgang mit Corona diskutierte, galt als unsolidarisch und leichtsinnig. Wer offizielle Zahlen in Frage stellte, wurde als „Verschwörungstheoretiker“ abgetan. Zwischenzeitlich entmutigend, dreht sich die nationale Lage in der Woche vom 6. Mai binnen 48 Stunden. Es ist den deutschen Bürgern zu verdanken. Nach dem Wut-Bürger der letzten Jahre tritt nun auf: „der deutsche MUT-Bürger“. Ohne dessen „gnadenlos-liebevollen“ Druck, wäre die Öffnung hin zu einer aktiven Krisenpolitik so nicht geschehen. Die Welt kennt die Deutschen wahlweise als obrigkeitshörig oder als Wut-Bürger. Der Mut-Bürger ist neu. Mit klugen Konzepten fordert er die Politik heraus und treibt sie vor sich her.
Hier die Ereignisse, die zu dieser neuen kulturellen Qualität führten. Eine Qualität, die uns noch entscheidend helfen kann. Eine ermutigende Bestandsaufnahme aus soziologischer Sicht.
Von der Agonie ins Handeln am 6. Mail
Nach der friedlichen Revolution 1989 und der blutigen Revolution 1848 wiederholt sich erst zum dritten Mal eine historische Besonderheit: der Deutsche steht auf und wehrt sich. Nicht emotional und verunsichert, sondern mit guten Sachargumenten und zugleich im Respekt für seine politische Führung meldet er sich lautstark zu Wort.
In eine verfahrene pseudowissenschaftliche Debatte hinein fordern die Deutschen Klarheit und Logik im Vorgehen. Gut informiert und engagiert identifizieren sie methodische Fehler, denken mit, machen Vorschläge, fordern Beteiligung ein. Und: die Menschen gehen auf die Straße. Sie hauchen der Politik das ein, was ihr fehlt: den Mut.
Sie fordern mehr sachlichen Umgang mit Corona und mehr zielgerichtetes Vorgehen anstatt bedrohlicher aber im Kern statistisch unhaltbarer Zahlen und plakativer, aber irreführender Lösungen wie „Leben oder Wirtschaft“. Die Menschen wissen: so schwarz-weiß ist das nicht. Es ist komplexer und sie lassen ihre Politiker das wissen.
Noch diesen Montag, den 4. Mai bezeichnet die ARD (Sondersendung 20.15) den mehr Gestaltung anmahnenden NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet als „disziplinlos“ und fragt „wie sollen die Bürger da brav bleiben?“ Das Magazin DER SPIEGEL fragt auf dem aktuellen Titelbild: „Verspielt Armin Laschet mit seinem Leichtsinn die Kanzlerschaft?“ Binnen 48 Stunden kippt das Bild. Die Republik schwenkt hastig auf Laschets Kurs um. Er wird zum Rollenvorbild, sogar für seinen Kontrahenten Markus Söder.
Die Folge: Noch bevor Kanzlerin Merkel ihre Ministerpräsidenten zur Status-Runde rufen kann, überbieten sich die Ministerpräsidenten in „dynamisch atmenden Strategien“. Offensichtlich von der Sorge getrieben, nur nicht Letzter vor den TV-Kameras sein, werden in den Landesregierungen eilig Pressekonferenzen einberufen. Ganz nach vorne drängelt Markus Söder, sehr zum Missfallen seines Südachsen-Partners Winfried Kretschmann von selbsternannten „Team Disziplin“. Der BW-Ministerpräsident Kretschmann, eher prinzipientreu als populistisch wie Söder, schäumt.
Doch Söder ist längst übergelaufen ins „Öffnungsüberbietungs-Team“ Laschet, freilich nicht ohne zu behaupten, dass dies immer schon sein Plan gewesen wäre. Der Populismus, Söders Politikstil, gilt soziologisch als volksnah, hat aber ein unlösbares Kernproblem: der Populist nimmt für sich in Anspruch, dem Volk in seinem Willen zu folgen. Dieses will aber seinerseits, dass man es führt. Eine Quadratur des Kreises, über die Söder souverän hinweglächelt und zügig neue Position besetzt. Das war beim Bienenschutz so, beim Klimaschutz, jetzt bei Corona. Der Populist lebt vom kurzen Gedächtnis der Menschen und vom Zauber des Augenblicks. Er ist ein Getriebener seines Politikstils und der Umfragewerte.
Der prinzipientreue Politiker – wie Kretschmann oder Merkel - dagegen lebt vom langen Atem. Er oder sie kommt nicht immer angenehm rüber, darf auch knorrig und langweilig sein. Die Leute wissen ja, woran sie sind.
So eine ist die Kanzlerin: Ihr bleibt am 6. Mai nichts als einen Kurswechsel zu verkünden: In Zukunft gilt eine Infektionsobergrenze, alles Weitere regeln die Länder selbst. Die ARD orakelt von der Führungsschwäche der Kanzlerin – falsch!
In Krisen gilt: Selbstwert und Initiative stärken durch Beteiligung der Menschen. Im agilen Management spricht man von der Aktivierung der „Schwarmintelligenz“. Der Volksmund sagt: „Viele sind klüger als einer allein.“ Gut so!
Weniger Pseudo-Wissenschaftlichkeit und Parolen - mehr echte Analyse und Sachlichkeit
In Krisen gilt: Setze Dich mit der tatsächlichen Wirklichkeit auseinander, nicht nur mit Statistiken, Zahlen und vorgefertigten Überzeugungen. Nach dem ersten Schock im März beginnt diese öffentliche Auseinandersetzung erst jetzt. Dabei tun sich neben den vielen Menschen im Lande einige prominente MUT-BÜRGER hervor, die sich dafür zunächst polemische Kritik, Virusverharmlosung oder Verschwörungsabsichten vorwerfen lassen mussten. Dazu gehören die einzigen beiden Professoren und Institutsleiter bundesweit, die sich nicht nur statistisch, sondern tatsächlich im praktischen Feld mit dem Virus auseinandersetzen. Nach anfänglich heftiger Zurückweisung – sie stören unsere kollektiven, gut verankerten Angstbilder und damit die einzige Gewissheit, die wir über das Virus zu haben glauben – finden beide zusehends Beachtung.
Auftritt MUT-Bürger Professor Püschel, Leiter der Rechtsmedizin Hamburg
Der 69-jährige Pathologe ist der einzige Arzt weltweit, der Corona-Tote flächendeckend obduziert und damit tatsächlich die tödliche Wirkung untersucht. Warum ist er der Einzige? Nun, das RKI RobertKoch-Institut hatte frühzeitig vor Obduktionen gewarnt, um das medizinische Personal nicht zu gefährden; im Nachhinein eine fahrlässige Überreaktion. Dazu Prof. Püschel gelassen an die Adresse der RKIKollegen: „Man trägt beim Obduzieren Schutzkleidung.“ Der Mangel an echter Analyse hat weitreichende Folgen für eine sachliche Coronabewertung. In vielen Ländern wird mangels Untersuchung so die normale Alterssterblichkeit in der Coronastatistik mitgezählt. Was zu fatalen Fehlbewertungen und Angstbildern führt. So ist die Hansestadt Hamburg also die einzige Stadt, die tatsächlich verlässliche empirische Zahlen liefert und nicht nur Hochrechnungen und Schätzungen. Prof. Püschels Ergebnis: Keiner der rund 100 Toten starb ohne mindestens eine schwere Vorerkrankung. Das Durchschnittsalter der Toten liegt bei 80 Jahren, also dicht an der natürlichen Sterblichkeit. Sein Leitsatz ist: „Von den Toten für die Lebenden lernen.“ Sein Fazit: Corona ist eine ernste Bedrohung, aber kein Killervirus. Er mahnt zur Mäßigung und Besonnenheit statt Übertreibung. Er warnt auch davor, Deutschland ständig mit anderen Ländern zu vergleichen. Die medizinische Ausstattung sei deutlich besser, die Voraussetzungen ganz andere. Sein ganz persönliches Statement: trotzdem er zur Risikogruppe zählt, ist er bekennender Großvater und trifft seine Enkel weiterhin. Er hält das nicht für fahrlässig, sondern für angemessen vorsichtig. (siehe verschiedene Youtube-Filme)
Auftritt MUT-Bürger Professor Streeck
Der Bonner Virologie-Institutsleiter stellt in der einzigen flächendeckenden sog. Heinsberg-Studie bei ca. 1000 Bürgern fest: Die Todesrate bei Infizierten liegt bei 0,37 %, also weit entfernt von ca. 10 %, die wir aus Italien hören.
Grundlage sind erstmals nicht Schätzungen oder statistisch fragwürdige Vermischungen, sondern eine Erfassung der realen Wirklichkeit. Wenn die Zahl auch noch weiter bestätigt werden muss, liefert sie doch eine Tendenz, die faktenbasierter ist als die erschreckenden Zahlen aus Italien oder Belgien. Was kaum jemand weiß: dort werden alle auch natürlich an Altersschwäche Verstorbenen in der CoronaTodesliste geführt. Statement der belgischen Gesundheitsministerin: Da die Ressourcen für ein Testen oder Obduzieren der Toten fehlen, werden „sicherheitshalber“ auch alle nicht getesteten Verdachtsfälle in der Coronatodesstatistik geführt. In Italien gilt das gleiche. Das ehrbare Motiv: Man will sich nicht eine „Virus-Verharmlosung“ nachsagen lassen und geht lieber „auf Nummer sicher“. Problem: so entsteht keine Sicherheit, sondern falsche Angstbilder und emotionale Fehlbewertungen.
Professor Streeck, der sich politischer Empfehlungen enthält, setzt lieber auf sachliche Aufklärung und spricht nur eine fachliche Warnung aus: Auf einen zuverlässigen Impfstoff zu warten oder gar zu setzen sei unseriös, da dieser bei Viren nicht zu gewährleisten sei (siehe Aids, siehe Grippe). Sein unbequemes Statement: wir müssen mit dem Virus leben lernen.
Auftritt MUT-Bürger Armin Laschet
Der NRW- Ministerpräsident fordert schon früh eine „verantwortungsvolle Normalität“. Er sagt: das Virus geht nicht weg. Wir können es nicht auslöschen. Wir müssen lernen mit ihm zu leben, zumindest bis es einen Impfstoff gibt. (Entwicklungszeit 1-2 Jahre). Als Karl Lauterbach, Politiker und Arzt in Personalunion, in der Talkshow „Anne Will“ den R-Faktor von 0,7 als alleinige Richtschnur verteidigt, ruft Laschet laut aus: „Dann kommen wir ja nie hier raus. Sie können nicht ein, zwei Jahre das ganze Land weiter herunterfahren mit all den Schäden, die Sie dann anrichten.“ Logisch gesehen hat Laschet Recht: Ein „Jojo-Effekt“ droht, eine Herdenimmunität ist so nur sehr langfristig zu erreichen. Solange ist eine Normalität nicht möglich, die emotionalen, sozialen und materiellen Kräfte bluten aus. Und auch als Krisenmanager liegt er richtig. Denn hier gilt: rede Dir die Lage nicht schön, sondern konfrontiere Dich und Deine Gefährten mit der Realität. Entwickle eine Strategie, die ein Ziel hat, und nicht nur eine Taktik, die Zeit gewinnt. Unser Gesamtsystem geriete auf Dauer in Schräglage. Das Magazin „DER SPIEGEL“ wird Laschet für das Aussprechen dieser einfachen Erkenntnisse in seiner aktuellen Ausgabe als „führungsschwach und leichtsinnig“ bezeichnen. Armin Laschet bleibt trotz massiver Kritik standhaft und bewirkt diese Woche am 6. Mai, dass die Ministerpräsidenten im Domino-Effekt auf seine Haltung einschwenken. Er wird binnen 48 Stunden vom Buhmann zum Rollenvorbild.
Bleiben Sie standhaft und unbequem
Er ist standhaft geblieben und unbequem. Wie viele andere Bürger auch, die gute Konzepte mit Nachdruck vertreten, auch wenn der Wind gegen sie steht. Die gute Nachricht: Die Demokratie in Deutschland ist stabil und gewinnt an Format. Der Dialog zwischen Regierung und Volk funktioniert, wenn auch leicht ruppig. Die schlechte Nachricht: Das Spiel ist deshalb noch nicht gewonnen. Risiken drohen weiterhin.
Gehen Sie Verschwörungstheoretikern nicht auf den Leim
Hier organisiert niemand mit Planung und dunkler Strategie. Dazu sind die Abläufe viel zu komplex als dass jemand das planen könnte. Überschätzen Sie nicht die Macht und Souveränität von Politikern und Virologen. Das sind auch nur Menschen und die allermeisten meinen es gut. Und sehen wir es den Virologen des RKI und anderen nach, dass für sie der R-Faktor eine heilige Kuh ist. Versetzen Sie sich mal in die Lage eines Virologen: Wenn jemand sein Berufsleben lang mit Virenbeobachtung und Virenzählen verbracht hat und dabei auch noch so gut war, dass er Professor wurde, muss er wissenschaftliches Arbeiten, also die Reduktion der Wirklichkeit auf Zahlen und Statistiken gut finden. Warum sollte er ausgerechnet dann damit aufhören, wenn er es ins Fernsehen geschafft hat und die lange verdiente Beachtung findet.
Seien wir nachsichtig und realistisch, dass auch die da „Oben“ emotional ähnlich überfordert sind wie wir. Natürlich haben sie mehr Berater, dafür aber nicht unbedingt mehr Klarheit. Sie gehen abends mit genauso vielen Fragezeichen ins Bett wie wir alle.
Bleiben Sie wachsam, standhaft und konstruktiv!
Aktuell findet im Aufbegehren nicht Disziplinlosigkeit statt, sondern hier zeigt sich der „Souverän“ – das Volk - und organisiert sich. Hier wächst nicht Widerstand und Leichtsinnig, sondern kollektive Lösung. Lassen Sie uns weiterhin „gnadenlos-liebevoll“ als aktive wache Bürger unsere Politiker unterstützen, den besten Weg für uns Alle zu finden. Unser Führungspersonal hat Nachsicht und Feedback verdient, so wie in jeder guten Partnerschaft. Ermutigen wir sie weiterhin mit unserer Anerkennung, unserer Kritik. Und getrost mit punktuellem Widerstand als pädagogisches „Hallo-Wach“, damit sie sich ermutigt fühlen und sich trauen, auf mutige Art verantwortlich zu sein.