Covid Forever - Welcome To Reality
Menschen Mut zu machen ist ehrbar. Dabei auf sein eigenes Marketing hereinzufallen ist tragisch. Vollkommen Marketing-untauglich war vor zwei Jahren schon Prof. Hendrik Streeck. Zu sperrig seine Aussagen, zu wenig hoffnungsvoll. Dafür realistisch. Während andere Wissenschaftler vom „Wir impfen uns frei“ tagträumten was den Politikern gefiel, befand er trocken einige wenige Fakten, die sogar mir als Biologie-Unkundigem eingeleuchtet haben.
𝘋𝘦𝘳 𝘚𝘰𝘻𝘪𝘰𝘭𝘰𝘨𝘦 Peter Tümmers von Schoenebeck 𝘪𝘴𝘵 𝘌𝘹𝘱𝘦𝘳𝘵𝘦 𝘧𝘶̈𝘳 𝘚𝘵𝘳𝘢𝘵𝘦𝘨𝘪𝘦𝘣𝘦𝘳𝘢𝘵𝘶𝘯𝘨 𝘣𝘦𝘪 𝘐𝘊𝘖 𝘐𝘮𝘱𝘶𝘭𝘴𝘦𝘊𝘰𝘯𝘴𝘶𝘭𝘵 𝘖𝘣𝘦𝘳𝘴𝘵𝘥𝘰𝘳𝘧 𝘶𝘯𝘥 𝘣𝘦𝘨𝘭𝘦𝘪𝘵𝘦𝘵 𝘥𝘪𝘦 𝘊𝘰𝘳𝘰𝘯𝘢-𝘗𝘢𝘯𝘥𝘦𝘮𝘪𝘦 𝘴𝘦𝘪𝘵 𝘉𝘦𝘨𝘪𝘯𝘯 𝘮𝘪𝘵 𝘴𝘰𝘻𝘪𝘰𝘭𝘰𝘨𝘪𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘈𝘯𝘢𝘭𝘺𝘴𝘦𝘯.
1. Alle werden sich mit Corona infizieren, entweder durch Ansteckung oder durch Impfung.
2. Das Impfen wird die Pandemie nicht beenden, nur abmildern. Denn Corona-Viren mutieren stark. Zumindest die Varianten vor Covid19 haben das getan. Warum – referierte Prof. Streeck trocken – sollte das diesmal anders sein.
3. Nach einer Schockphase mit hoher Todesrate würde es zur zunehmenden Covid-Gewöhnung kommen, durch Kreuzreaktionen verschiedener Mutationen in einem mehrjährigen Gewöhnungsprozess. Mit jeder Variante steige der Antikörperpool und die Herde komme besser klar. Bei Corona18 vor 800 Jahren sei das genauso gelaufen, so Prof. Streeck.
4. Als die Talkshow-Stammgäste vom „Leben nach Corona“ träumten, sprach Prof. Streeck vom „Leben mit Corona“. Nicht sehr talkshow-tauglich. Zum Politiker-Liebling wird man mit solch düsteren Sätzen nicht.
Dafür zum Realisten. Weil man dann eher den Fakten ins Auge blickt. Und weniger zurückrudern muss, wie nun die Politik. Auch muss man keine windschiefen Begründungen konstruieren, wie die Aussage: „Hätten sich mehr impfen lassen, wäre jetzt alles gut.“ England beweist gerade das Gegenteil. Hätte man mehr realistisch und weniger utopisch kommuniziert, wäre es jetzt nicht nötig, Schuldige in der Gesellschaft zu finden. Die Israelis neigen aus tagespolitischen Gründen zum Realismus und boostern seit Juli. Und in der Tat ist die Impfquote in Deutschland ja viel höher als die offizielle Zahl. Die Dunkelziffer ist hoch wegen all der Opportunisten, die sich in der ersten Impfphase Termine erschlichen haben durch Vitamin B, vorgetäuschte Pflegeomas und andere Dringlichkeiten.
Die Spaltung der Gesellschaft – in Deutschland vergleichsweise groß – ist hausgemacht. Wer Mut machen will mit utopischen Aussichten, erzielt einen kurzfristigen Effekt mit einer langen Enttäuschung. Wer den Menschen die ernste Wahrheit zutraut, macht tatsächlich Mut. Man ist damit weniger „der gute Hirte“, vielleicht eher die ehrliche Haut. Man begibt sich damit aber nicht in den Zwang, immer wieder nachlegen zu müssen mit neuen Rettungsankern. Das nächste „Kaninchen aus dem Hut“ ist nun die allgemeine Impfpflicht. Wenn jetzt verabschiedet, würde sie nicht vor Frühjahr rechtskräftig, also zu spät, um uns über den Winter zu helfen aber im Moment gerade rechtzeitig, um Impfzweifler weiter zu radikalisieren. Effektiv wird die Impfpflicht nie durchsetzbar sein, außer mit Polizeigewalt, was verfassungsrechtlich nicht durchgeht. Es wird bei Bußgeldern bleiben, eine milde Sanktion, die von Impfgegnern genussvoll als Zeichen ihres selbsterklärten Märtyrertums instrumentalisiert werden wird. Die 180 Grad Kehrtwende aller Ampelparteien bezüglich der Impfpflicht wird als Wortbruch gebrandmarkt werden. Ein Bürgeraufbegehren als Akt der Selbstverteidigung schöngeredet. Der Graben wird also tiefer. Die Fronten werden sich weiter verhärten.
Warum setzt die Ampelregierung nicht auf einen Motivationsaspekt, der seit jeher zuverlässig funktioniert: den Egoismus des Menschen. 2G ist auf Dauer so lästig, dass die meisten Impfgegner sehr schnell von allein den Arm hinhalten. Einfach damit sie wieder Teil der Gemeinschaft sein können. Integrieren, sei es durch sanften Druck oder Verlockung, funktionierte schon immer besser als Ausgrenzung.
Vielleicht sollten die Politiker mal ein Soziologie-Seminar besuchen, anstatt Marketing-Unternehmen mit der Ausarbeitung ihrer Wahlkampfprogramme zu beauftragen.